Der saarländische Schwenker - für alle Nichtsaarländer

dorinthe 24.04.2008, 09:08:51

:cool: Jedes Bundesland hat seine ganz eigenen Spezialitäten und Verschrobenheit. Während zu dem einem sich Sympathie entwickelt, kann es zu einem anderem Bundesland ganz anders sein. Dialekt, Auftreten, Lebensweise und nicht zuguterletzt das hiesige Essen spielen dabei große Rollen. In diesem Bericht möchte ich auf das Bundesland Saarland - meine Heimat - eingehen, mit besonderem Schwerpunkt auf eine saarländische Spezialität, dem Schwenker.

Der Bericht gliedert sich in drei Teile, da das Wort "Schwenker" im saarländischen Sprachgebrauch dreielei Bedeutung zugemessen wird.

Ein weiterer Teil des Berichts ist den "Nicht-Saarländern" gewidmet, wenn diese einen längeren Aufenthalt im Saarland planen und gewisse kulturelle Gepflogenheiten (rund um den Schwenker) verstehen wollen und den Tritt ins Fettnäpfchen vermeiden wollen. Denn, obwohl das Saarland das kleinste Flächenbundesland Deutschlands ist, wartet es mit einen eigenen Charme auf, der sich durchaus mit anderen besonderen Regionen in Deutschland wie von Ostfriesland bis nach Bayern messen kann.

Es folgt sodann weiter eine Auflistung verschiedener Fleischsorten, die als Schwenker im Saarland genutzt werden. Zum Schluss widmet sich der letzte Teil des Berichts vor dem Fazit dem "Gerät" des Schwenkers, dass in der Begriffsbedeutung schon seine Erwähnung findet.

Die dreifache Bedeutung des Schwenkers:

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Das "der Schwenker" eine dreifache Bedeutung hat, weiß so gut wie kein "Nicht-Saarländer" oder keiner, der damit versiert ist. Missverständnisse in der Kommunikation sind daher so gut wie vorprogrammiert. Wie folgt hat "der Schwenker" folgende drei Bedeutungen:

1. Der Schwenker kann das gewürzte Fleisch sein, dass nach seiner besonderen Art auch nur im Saarland erhältlich ist. Und auch nur einen Schwenker kann man letztendlich so nennen - damit ist gemeint, dass ein Schnitzel, wie es jeder Nicht-Saarländer bezeichnen würde, kein Schwenker ist. Übrigens ... sobald das Fleisch aufgelegt ist, kommt auch gutes Bier drüber, wobei es nicht jedermanns Geschmack ist. Doch worauf legt man das Fleisch, den Schwenker denn auf? Die zweite Bedeutung folgt...

2. Mit dem Schwenker kann auch ein Dreibein-Gestell ( http://www.grillsportverein.com/blog/?postid=23 ) gemeint sein - das Wort "Grill" möchte ich vermeiden, aber ich denke, zum besseren Verständnis war die Erwähnung dieses Worts notwendig. Dieses Dreibein-Gestell hat in seiner Mitte einen Rost, der an Ketten hängt, welche an der Spitze des Dreibein-Gestells befestigt sind. Darauf wird sodann das Fleisch gelegt und langsam gedreht, bzw. "geschwenkt". Wieso wird der Schwenker plötzlich "geschwenkt"? Woher kommt dieses Verb? Hier zur dritten Bedeutung...

3. Die dritte Bedeutung des Schwenkers zieht sich aus dem Verb heraus. Wer das Fleisch am Schwenker "schwenkt", ist ... ja ... so konfus es klingt, der Schwenker. Damit ist niemand anderes als die Person gemeint, die am Schwenker steht und aufpasst, dass nichts anbrennt, der Rost sich nicht zu schnell dreht und ab und wann etwas Bier über den Schwenker (das Fleisch) gibt.

Fassen wir es im folgenden, hochdeutsch geschrieben Satz zusammen, der auch so nun Verständnisschwierigkeiten aufgeben wird: "Der Schwenker legt den Schwenker auf den Schwenker auf und schwenkt dort diesen, bis der Schwenker gut geworden ist."

Dieser Satz wäre ohne vorherige Erklärung möglicherweise sehr unverständlich gewesen und darin kennt der Saarländer keine Gnade - er unterhält sich wirklich so (aber mit Dialekt).

Ob es sich, sprachwissenschaftlich gesehen, hier um eine hochintelligente Weiterentwicklung eines Wortes mit drei sehr unterschiedlichen Bedeutungen handelt, oder einfach nur um Stumpfsinn verschrobener Leute in einer Ecke Deutschlands, sei daher offen dahingestellt.

Tradition des Schwenkens & Erfahrung:

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Ist der Sommer heiß und schön, zieht es Saarländer aller Altersgruppen an besondere Plätze in der Natur oder zuhause zum "schwenken". Dabei handelt es sich nichts weiter als um schöne, gesellige Abende, die jede Altersgruppe für sich auslebt. Eine solche traditionelle Vorgehensweise wird von jedem Ur-Saarländer stets gepflegt, doch es bedarf dazu keinen verbissenen Patriotismus. Heutzutage erfreut man sich an der Geselligkeit im schönen Flair des Lagerfeuers oder der Glimme und Glut unter dem Schwenker. Die Orte, die dafür ausgewählt werden, wenn es nicht der Garten ist, sind grundverschieden. Ob an extra ausgestellten Schwenkhütten oder Plätzen nahe lauschiger Wälder, Flüsse oder Seen, eignen sich auch andere Orte gut dazu, solange der Brandschutz eingehalten wird.

Die Gefahren um den Schwenker:

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Für Nicht-Saarländer birgt diese Tradition einige Gefahren. Doch diese Gefahren lassen sich alle auf einfache Kommunikationsprobleme zurückführen.

Das schlimmste, was einem Nicht-Saarländer geschehen kann, ist, wenn er beispielsweise mit saarländischen Freunden unterwegs ist, erwähnt, dass er gerne zum "Grillen" gehen würde. Grillen gilt im Saarland als Unwort - ein Saarländer grillt grundsätzlich nicht. Und wer im Saarland grillt, gilt unter den traditionsbewußten Saarländern nicht als Saarländer. Andere Grillmodelle betrachtet der Saarländer nur belächelnd, gar spöttisch und als armselig. Aber keine Sorge, so ein richtiger Saarländer dies auch so meint, hat er zudem dies mit Humor zu tragen und so zu meinen - es wird keiner verdammt. Tradition hin oder her, dass Saarland bezeichnet sich selbst gerne als ein freundliches Bundesland in dieser Hinsicht - wer diese Art nicht sein Eigen nennt, ist in den Reihen friedliebender Leute beim schwenken nicht gerne willkommen, denn wer mag schon Fundementalisten?

Peinlich wird es für Nicht-Saarländer, wenn sie mit Holzkohle ankommen oder falschem Holz. Da schallt es Gelächter, denn damit das Fleisch seinen richtigen Geschmack erhält, ist das Holz von fundamentaler Bedeutung. So wird zum Beispiel im Saarland sehr gerne Buchenholz in kleinen Scheiten verwendet.

Richtig brutal - zurecht - wird der Saarländer bei Beleidigungen? Und wie kann man einen Saarländer schlimmer treffen und schmerzen, als wenn das Thema auf den Schwenker geht?

"Dein Vater konnte schon nicht schwenken!" Diese Aussage wird den Saarländer zur Weißglut treiben, so sie auch wirklich bösartig gemeint ist.

Verschiedene Fleischsorten und seine Art:

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Den Schwenker [hier nun das Fleisch] gibt es in verschiedenen Fleischsorten. Bekannteste Vertreter sind Schwenker vom Schwein, dicht gefolgt vom Rind. Auch Schwenker von der Pute setzten sich anerkennend durch. Doch das Fleisch alleine macht noch keinen Schwenker. Ohne die richtige Würzung wäre das Fleisch fade. Hartgesottene Freaks behaupten, dass erst das Bier über dem Schwenker ihn zum richtigen "Schwenker" macht.

Gewürzt kann der Schwenker hierzulande, je nach Metzger und Auswahl, mit Kräutern sein, was dem Schwenker leicht grün aussehen lässt. Rötlich wirkt der Schwenker, wenn er mit Paprikagewürz bedeckt ist - hier sucht der Saarländer nach seinem Favoriten gerne aus. Jeder Schwenker muss mit solcherlei Gewürzen mariniert worden sein, denn sonst wäre es nur ein einfaches, fades Fleischstück; plump gesagt, ein Schnitzel.

Der Schwenker [Dreibein-Gestell]:

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Wie ich schon daher weiter oben erwähnte, dass ein Grill vollkommen ausgeschlossen wird, gibt es für den Saarländer keine Alternative.

Das Dreibein-Gestellt wird meist an ausgesuchten Plätzen aufgestellt, zum Beispiel vorgesehene "Schwenk"plätze. Befindet sich der Saarländer in der wilden Natur, so hat er den Brandschutz zu beachten. Damit das Dreibein-Gestell richtig steht, haben seine Füße kleine Halterungen. Es bietet sich oft an, unter dem Rost eine ganz kleine Mulde auszuheben, in der die Scheite ordentlich zusammengestellt werden, damit sie später nach dem Brennen eine heiße Glut bewahren.

Das Saarland galt damals verstärkt, heute weniger als das Land der Gruben und des Stahlbau. Sehr traditionsbewußte, stolze Saarländer haben daher ihren Schwenker nicht von den örtlichen Baumärkten, sondern von der Stahlhütte. Da nur noch eine Stahlhütte im Saarland, in Dillingen, existiert und die in Völklingen 1986 stillgelegt wurde, heisst es gerne: "Ich hab meinen Schwenker von der Dillinger Hütte". Und in der Tat, es sind die besten Schwenker - denn sie halten sehr lange und sind äusserst robust.

Wer nicht das Glück hat, von der Stahlhütte seinen Schwenker beziehen zu können (und nein, es geht nicht über den handelsüblichen Weg - dazu braucht man Beziehungen), sucht sich seinen Schwenker om örtlichen Baumarkt aus. Und da der Saarländer gerne in seiner Werkstatt werkelt, möchten sich die Bauhäuser ihren guten Ruf wahren und bieten große Sortimente von durchaus guten Schwenkern an. Diese unterscheiden sich fast nur in der Größe - denn je nach Bedarf und Anlass sollte der Schwenker schon ausgesucht sein.

Manko des Schwenkers nach einem schönen Abend ist der dreckige Rost und das Abbauen. Dummerweise zeigt sich dadurch der Schwenker als recht sperrig mit seinem Dreck an, was beim Transport manchmal unschön ist. Die Sperrigkeit kann je nach Auto auch zum Problem werden, denn in einen Kofferraum kann er unter Umständen nicht hineinpassen.

Auf- und Abbau des Schwenkers ist allerdings durchaus einfach und kann von einer Person durchgeführt werden. Drei Beine, je nach Gerät eine oder mehr Ketten und ein Rostgitter sind die einfachen Bauteile dieses Geräts. Die Beine werden ähnlich wie bei einem Indianerzelt die Stöcke aneinandergelegt und befestigt und von oben herab hängt die Kette mit dem Rostgitter. Ein kleiner Haken an einem der drei Beine ist als Halterung für die Kette gedacht, um die Höhe des Rostgitters zu verstellen, wenn das Feuer hoch flammt oder nur noch Glut existiert.

Je höher die Flamme, desto mehr brennt dann auch das Rostgitter an. Die Reinigung danach ist oftmals dreckig und sehr mühsam.

Was die Sicherheit des Schwenker angeht ... da sorgte der Saarländer mit dem Schwenker [dem Fachmann der sich um alles kümmert] vor. Er ist dort am Werke und die anderen halten sich in der Regel fern. Da dem nicht immer so ist, sollte aufgepasst sein, dass keine Steine oder Stolperfallen nahe dem Schwenker sind, damit jemand auf diesen fällt. Denn würde das passieren, zieht man sich sehr schnell und leicht schwere Verbrennungen zu - Sicherheitsfächer oder Schutzgitter gibt es da nicht.

Was macht den Schwenker eigentlich so besonders? Ich sah schon in anderen Bundesländern ebenfalls Dreibein-Gestelle in Baumärkten stehen! Nun ja, zum einen ist es einfach im Saarland der unantastbare, unbescholtene Ruf und Charme dieses Geräts. Es wird viel darum geredet und geehrt und so hat es sich in den Köpfen der Leute fest eingebrannt wie die heisse Glut ins Fleisch selbst. Mit dem Schwenker wird eine Gemütlichkeit am Feuer in Idealvorstellungen suggeriert, was ja auch schön ist. Mal ehrlich ... welche Tradition hat schon wirlich heute noch rationellen Hintergrund.

Fazit:

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Gemütlichkeit, Charme und eine Portion Humor verbindet der Saarländer mit allen drei Begriffen um den Schwenker und dessen Art. Oftmals hört man vom Saarländer während des Auf- und Abbau des Geräts Flüche, doch ist diese Tätigkeit erst vorbei, ist auch der Fluch nur noch Schall und Rauch. Der Schwenker ist einfach uriger und im Ergebnis für das Fleisch besser als ein Holzkohle- oder Elektrogrill. Werden alle Regeln um das Schwenken eingehalten, steht einem sehr schönen Abend nichts im Wege. Während der Winterjahreszeit ruht der Schwenker im Keller oder in der Garage, nur zu guter Jahreszeit findet er seine würdige Verwendung. Aufpassen muss man hier um Rostbildung beim Stahl, was ein zusätzliches Manko darstellt, aber wäre es kein Stahl, wäre es wieder kein Schwenker.

Der Saarländer liebt seinen Schwenker und ohne ihn geht es nicht. Je nach Modell unterscheidet er sich im Handling und in seiner Verarbeitung, doch neppen lässt sich der Saarländer nicht mit schlechter Qualität - gute Schwenker kauft er, die schlechten lässt er stehen.

Da der Sommer hoffentlich bald kommt, freue ich mich auf weitere Schwenkabende zusammen mit dem Freundeskreis - wie jeden Sommer. Und ich möchte das Schwenken mit allem, was dazugehört, auch nicht missen. So vebleibe ich in diesem Sinne...

Gott lenkt, der Saarländer schwenkt!

rampi 24.04.2008, 11:51:05

danke für die tolle erklärung!! wenn jetzt alle, die das gelesen haben zu "insidern" geworden sind und auch zum schwenken in das flächenmässig kleinste bundelsand wollen, na dann platzt es wohl bald aus allen nähten. dann guck schon mal, dass dann genügend schwenkfertige schwenker für die schwenker zum auf die schwenker legen bereit stehen. :lol: :lol: :lol:

liebe grüsse

rampi

Lieselotte Hradilová 24.04.2008, 14:40:46

Hallo Anne, das ist toll, was Du da geschrieben hast. Ich konnte nicht aufhören zu lesen so interessant war es.

Wenn ich mal in Saarland lande, da wei3 ich schon wirklich viel, danke Dir.

Viele liebe Grü3e Lotte javascript:emoticon(':D')

lach

Lolie 24.04.2008, 19:41:16

Den Schwenker gab es bei uns noch gestern. Aber garnicht professionel. Da wir die Schwenksaison noch nicht ein geweiht haben, wurde er in der Steakpfanne gebraten. Für 2 Personen sehr zu empfehlen. :roll: :!: :cry:

dorinthe 30.04.2008, 12:19:22

Rosi wie ist es, wird morgen, wenn das Wetter schön ist, geschwenkt??

Aber der Saarländer räumt auch die Garage aus und schwenkt da, wenn es regnet oder??

Gruß

Anne:lala: