Der Gin
Nachdem Paracelsus (1493/94-1541) den Branntwein mit "Aqua vitae" bezeichnete und dieses Lebenswasser dort verordnete, wo es ihm nützlich schien, beschäftigten sich immer mehr Ärzte und Apotheker mit dem Alkohol als Heilmittel. So experimentierte Mitte des 17.Jhdt. in Hanau/Main ein gewisser Francois de Bove an einem Mittel zur Bekämpfung der Tuberkulose. Seine Hoffnung setzte er auf die Wacholderbeere. Die Arbeiten von de Bove, der inzwischen den lateinischen Namen Franciscus Sylvius angenommen hatte, wurden in der abendländischen Welt bekannt, und 1658 erhielt er eine Berufung als Professor an die Universität Leiden in Holland. Mit Eifer stürzte sich nun der Professor auf seine Forschung. Er destillierte die zerstossenen Wacholderbeeren, versetzte sie mit anderen Heilkräutern und vermischte die Auszüge mit dem landesüblichen Kornschnaps. Die Apotheker der Stadt fertigten bald das neu kreierte Rezept als Heilmittel, unter anderem auch gegen Schwindsucht an. Sylvius verordnete dieses Produkt nicht nur Kranken, sondern empfahl es auch prophylaktisch, mit dem Motto, wer gesund bleiben wolle, täte gut daran, öfters im Monat dieses wohlschmeckende Wacholdergetränk zu trinken - und das nicht in kleinen Mengen. Als Sylvius 1672 starb, war sein "Genever", abgeleitet von dem franz. Wort "Genivre" für Wacholderbeere, geradezu eine Volksmedizin. Heute gilt Gin als die englischste unter den Spirituosen. Begonnen hat es mit englischen Matrosen, die diesen Wacholderschnaps im Inselreich bekannt machten, doch seine eigentlich Bedeutung erlangte es erst mit Wilhelm III. von Oranien (1650-1702). Als er 1688 mit einem Heer in Devonshire landete, um den englischen König Jakob II ( 1633-1701) zu vertreiben, trugen seine Soldaten in ihrem Proviant auch die erprobte "Wacholdermedizin" zur Gesunderhaltung mit sich. Der Oranier wurde König von England und mit ihm blieben zahlreiche Niederländer in Britannien, darunter auch einige Apotheker mit dem Wissen des guten Rezepts von Professor Sylvius. Kurz darauf entstanden auch kleine Destillerien, und überall wurde nach dem selben Rezept gebrannt, nur aus "Genever" ist für die Engländer das leichter sprechende Wort "Gin" geworden. Um zu verhindern, dass gutes englisches Geld für ausländische alkoholische Getränke, insbesonders für französische Spirituosen, die in England sehr beliebt waren, ausgegeben wurde, belegte man diese mit einer prohibitiven (vorbeugenden) Steuer und so wurde das Volk zum Gintrinken ermuntert. Da darauf die Ginbrennereien, die nach dem Rezept des holländischen Professors Sylvius de Bove brannten, mit dem Destillerien nicht nachkamen, und um der grossen Nachfrage gerecht zu werden, wurde jedem das Selbstbrennen erlaubt. Kein Wunder, dass nun meistens allermiesester Fusel das Ergebnis dieses "Gnadenaktes" war und darauf auch die professionellen Brenner nur mehr meist minderwertige Qualität erzeugten, einerseits um möglichst hohen Profit zu erzielen, andererseits, weil sie sonst gegenüber den "Amateuren" preislich nicht konkurrenzfähig gewesen wären. Je mieser der Fusel war, desto mehr Wacholder wurde zugesetzt, um die Unreinheiten der "Spirituose" zu überdecken. Gin wurde zum Alltagsgetränk der Massen, vor allem die arme Bevölkerungsschicht erwählte ihn zum Lieblingsgetränk, immer öfter sah man total Betrunkene in den Gassen herumliegen und der Werbespruch vor einer Kneipe in Southwark "Betrunken für 1 Penny, total blau für 2 Penny, Strohlager umsonst" fand nur allzuoft seine Bestätigung. Der englische Maler William Hogarth (1697-1764) hielt diese Horrorszenen der auf offener Strasse stattfindenden Ginorgien in seinen Bildern mit grosser Akribie fest. Viele Krankheiten waren die Folge, deshalb fand um 1740 eine harte Qualitätsauslese statt. So wurden die Rezepte wieder verbessert und Fälschungen auf Grund von Kontrollen so gut wie ausgemerzt. Der Gin wurde wieder eine reine, edle Spirituose. Und mit diesem einwandfreien Produkt fühlten sich auch englische Kapitäne und See-Offiziere wieder gegen alle Unbill des Seemannslebens geschützt. Sie waren es auch, die als erste damit begannen, den Ruf des Gins wieder zu beleben. Meist vermischten sie ihn mit einigen Tropfen Angostura (dem chininhaltigen Bitter aus Trinidad), diese Verbindung nannten sie aufgrund der Farbe "Pink gin" - ein Vorläufer des Cocktails, für den die Royal Navy sogar ein eigenes Flaggenzeichen schuf. Wurde irgendwo in der Welt auf einem Schiff der englischen Marine eine grün-weisse Wimpel gesetzt, so wusste jeder Eingeweihte: "An Bord gibt es den rosagefärbten Gin" Bald erhielten die britischen Matrosen einen wichtigen Verbündeten, der, zunächst in den tropischen Kolonien, das Ansehen des Gin weiter hob. Es war der aus Genf stammende Schweizer Jacob Schweppes, genauer gesagt waren es die Nachkommen des 1837 zum königlichen Hofliefereanten ernannten Mineralwasserherstellers. Sie hatten erkannt, dass man mit einem chininhaltigen Wasser nicht nur besser den Durst stillen, sondern damit ausserdem die Malaria bekämpfen konnte, wofür es bis dahin nur Chinintabletten und den oben erwähnten Angosturabitter gab. Das Tonic Water, wie sie es nannten, eignete sich zusätzlich ideal zum Mischen mit Gin. Ursprünglich war englischer Gin ein reiner Kornbrand, vor allem aus Mais destilliert, dem ausser Wacholder keine Gewürze beigemengt wurden. Heute wird in zunehmenden Masse hochrektifizierter Melassesprit verwendet. Erst im zweiten Arbeitsgang werden leicht zerquetschte Wacholderbeeren mit einer Gewürzmischung, die stets Firmengeheimnis ist, in diesem Destillat mazeriert (ausgelaugt), um dann nochmals gebrannt zu werden. Im Gegensatz zu vielen anderen Spirituosen benötigt Gin keine längere Wartezeit vor dem Genuss, man kann ihn unmittelbar nach der Herstellung trinken. Allerdings ist Gin nicht lange haltbar, da sich das feine Wacholderaroma sehr rasch verflüchtigt. Das gilt besonders bei höheren Temperaturen , sodass der Gin als nicht tropenfest gilt. Da er aber gerade dort gerne getrunken wird, ist diese Eigenschaft sicher ein griffiges Argument, ihn rasch der Konsumation zuzuführen. Heute sind speziell zwei Hauptarten zu unterscheiden. Der "London Dry Gin", ein besonders herb-trockenes Getränk, das vorwiegend zum Mixen Verwendung findet, da sein Eigengeschmack nicht so intensiv ist, dass er andere Zutaten übertönt, und der "Plymouth-Gin", auch "Old Tom Gin" genannt. Ein Gin, der schon aus Lokalpatriotismus etwas anders schmecken sollte, als der aus London, nämlich süsslicher. Wie schon erwähnt, ist es vor allem der "London Dry Gin", der als Basis von Mischgetränken Verwendung findet, und den harten Kern jedes Mixbuches bildet - davon später. Ungleich seltener wird er pur getrunken, diese Trinkart bleibt anderen Wacholderbränden vorbehalten. So z.B. dem speziell im Norden Deutschlands beliebten Steinhäger, zu dem aber dort im Regelfall ein Bier getrunken wird. Neben dieser auch bei uns bekannten Sorte gibt es noch einige Wacholderbranntweine, die meistens nur lokale Bedeutung haben, die ich hier dennoch erwähnen möchte, obwohl man praktisch nur im engeren Ursprungsgebiet mit ihnen in Kontakt kommt. In Tirol zum Beispiel gibt es den "Krannewitter" oder "Kranawitter", der in der K.u.K. Monarchie seine Hochblüte hatte. Die Bezeichnung geht auf den mundartlichen Namen der Wacholderbeere zurück, der sich wahrscheinlich wiederum von den blauschwarzen Bergdohlen, im Volksmund Kraner-Krähen herleitet, die die Wacholderbeeren sehr zu schätzen pflegen. Im Schweizer Bergland gibt wieder den "Ginepro" einen "gestandenen" Bauernwacholder, abgeleitet vom lateinischen "Juniperus" - Wacholder. Aus Ostpreussen stammt der "Machandel", in Norwegen steht der Wacholderbrand "Finkel" zwar im Schatten des Aquavits, steht ihm aber an Qualität nicht nach. Auch unsere östlichen Nachbarländer schätzen das Destillat mit der Wacholderbeere, so gibt es in der Slowakei den "Borowicka", in Slowenien den "Brinjevic", am Balkan den "Klekovac". Obwohl man ihn heute kaum noch pur trinkt, seine Klarheit nicht bewundert und seinem "Bukett" kaum Beachtung schenkt, ist der Gin weiterhin einer der Spitzenreiter unter den Spirituosen und vor allem der auserkorene Liebling aller Berufsbarmixer. Wie eingangs erwähnt ist der Gin heute hauptsächlich Basis für Mixgetränke.
mich würde sehr interessieren, wie und wo man an solche informationen (quellennachweis kommt). da mich dieses thema sehr interessiert und ich das medium internet für nicht "immer richtig"kennengelernt habe, ist es mir wichtig nach quellennachweisen zu erfragen. ich freu mich auf eine antwort. apollo :wink: